GAWO Das Schichtprojekt / Handlungsschritte

 

Arbeitszeitprojekt: Konkrete Umsetzungsschritte

Ein Arbeitszeitprojekt erfolgreich durchzuführen, wird durch ein systematisches Vorgehen nicht nur wesentlich erleichtert, sondern verhindert auch handwerkliche Fehler, die nachher nur noch schwer zu korrigieren sind. Ausgehend von der Abklärung der Rahmenbedingungen bis zur endgültigen Betriebsvereinbarung gibt es eine Reihe wichtiger Schritte, die nacheinander abgearbeitet werden sollten, dann wird das Schichtprojekt ein Erfolg!

 

Rahmenbedingungen, Voraussetzungen, Historie abklären
Bevor es an die Gestaltung des neuen Arbeitszeitsystems geht, müssen zunächst wichtige Informationen zusammengetragen werden. Der folgende Fragenkatalog hilft dabei:

  • Welche Tarifverträge gelten? Welche tarifvertraglichen Regelungen sind von der Änderung eines Arbeitszeitsystems tangiert?
  • Gibt es bereits vorhandene Betriebsvereinbarungen zu Arbeitszeitregelungen?
  • Welche Schichtsysteme/Arbeitszeitsysteme wurden bereits in den letzten Jahren angewendet?
  • Liegt eine Genehmigung zu Sonn- und Feiertagsarbeit von der zuständigen Aufsichts­behörde vor?
  • Welche Ausfallzeiten sind für den zu untersuchenden Bereich zu berücksichtigen(Krankheitsquote, Sonderurlaub, Schulungen, Altersfreizeiten und sonstige Freistel­lungen)?
  • Welche Betriebszeiten sollen abgedeckt werden?
  • Welche Arbeitsplätze sind zu welchen Zeiten zu besetzen? Welches Qualifikationsni­veau ist dafür notwendig? Gibt es Arbeitsplätze, die zu bestimmten Zeiten nicht be­setzt sind?
  • Wie viele Beschäftigte sind insgesamt von der Änderung des Arbeitszeitsystems betrof­fen?
  • Wie sollen die Beschäftigte bei der Gestaltung des Arbeitszeitsystems beteiligt wer­den?
  • Welche Informationen zu alternativen Schichtsystemen liegen vor? Wo können weitere Informationen zu Arbeitszeitsystemen besorgt werden?

Projektgruppe bilden
Veränderungen an Arbeitszeitsystemen sind zeitlich befristete Aufgaben. Die Bildung eines gemeinsamen Projektteams - möglichst zusammengesetzt aus Arbeitgebervertretenden, Mitgliedern des Betriebsrates sowie Beschäftigten der betroffenen Belegschaft - bietet sich daher an. Schnell wird sich zeigen, ob in der Sache Übereinstimmung besteht oder Konflikte zwischen den Beteiligten abgearbeitet werden müssen. Weichen die Auffassungen zu stark voneinander ab, sollten die beteiligten Parteien erst einmal eigene Projektgruppen bilden. Wichtig ist, dass alle Beteiligten immer über den gleichen Wissensstand verfügen. Bei Bedarf sollten auch außerbetriebliche Fachleute herangezogen werden.

Ziele diskutieren
Die erste Aufgabe einer Projektgruppe besteht darin, die Ziele für ein neues Arbeitszeitsystem festzulegen. Dabei können die Ziele und Prioritäten der betrieblichen Parteien recht unterschiedlich sein. Für die Unternehmensführung sind häufig die Themen, wie Veränderung der Betriebszeiten, Kosteneinsparung, flexibler Einsatz der Beschäftigten oder der Ausgleich von Produktionsschwankungen vorrangig von Bedeutung, während die Beschäftigten den Abbau von Belastung, einen höheren Freizeitwert sowie eine gerechte Bezahlung einfordern.
Die Projektgruppe sollte unbedingt Wert darauf legen, die Betroffenen bereits bei der Zielsetzung aktiv zu beteiligen. Praktisch kann das durch eine Schichtversammlung oder das Verteilen eines Fragebogens erfolgen. Wichtige Fragen dabei sind:

  • Was lief im bisherigen Schichtsystem/Arbeitszeitsystem gut? Was soll so bleiben?
  • Was war beim bisherigen Schichtsystem/Arbeitszeitsystem nicht gut?
  • Was ist mir beim am neuen Schichtsystem/Arbeitszeitsystem wichtig?

Es empfiehlt sich, die eine gemeinsam festgelegten Ziele als Grundsätze in die entsprechende Betriebsvereinbarung aufzunehmen. Zur späteren Bewertung des neuen Schichtsystem/Arbeitszeitsystem kann das einmal sehr hilfreich sein!

Bewertung des alten Schichtplans/Arbeitszeitsystem
Die Projektbeteiligten sollten die negativ und positiv Merkmale des bisherigen Schichtplans/Arbeitszeitsystem zusammentragen. Was lief gut und sollte erhalten bleiben und was nicht? Eins ist klar: eine schlechte Bewertung muss nicht immer am Schichtplan/Arbeitszeitsystem an sich liegen. Oft ist schlichtweg zu wenig Personal vorhanden, um das Arbeitsvolumen ohne Überstunden und häufige Zusatzschichten zu leisten. Dann nützt auch der beste Schichtplan nichts! Eine genaue  Personalbedarfsrechnung ist in diesen Fällen unbedingt erforderlich!
Der alte Schichtplan/das alte Arbeitszeitsystem und insbesondere die tatsächlich geleisteten Schichten/Arbeitszeiten sollten daher auch unter der Perspektive Gesundheit und Sozialverträglichkeit bewertet werden.

Betriebszeitenanalyse
Eine genaue Betriebszeitenanalyse liefert die grundlegenden Daten für eine realistische Personalbedarfsermittlung. Welche Betriebszeiten sollen abgedeckt werden?
Welche Arbeitsplätze sind zu welchen Zeiten zu besetzen? Gibt es Arbeitsplätze, die zu bestimmten Zeiten nicht be­setzt sind? Die geplante Produktionsmenge und entsprechenden Maschinendaten, die vergangenen tatsächlichen Arbeitszeiten der Belegschaft (Überstunden!) und Kenntnisse über die Jahresschwankungen (aus den historischen Daten) liefern wichtige Kennzahlen.
Der Geschäftsleitung liegen diese Kennwerte vor und sie wird die Zahlen bei Bedarf zur Verfügung stellen. Ohne Planzahlen kann der Personalbedarf nicht ermittelt werden!

Personalbedarfsrechnung
Wenn Schichtsysteme/Arbeitszeitsystem nicht richtig funktionieren, gibt es dafür häufig einen einfachen Grund: die Personalausstattung ist nicht ausreichend, es besteht eine Unterdeckung. Die Verhandlung über ein neues Schichtsysteme/Arbeitszeitsystem sollte daher immer mit einer sorgfältigen Personalbedarfsermittlung verknüpft werden. Bei der Personalplanung gibt es für den Betriebsrat lediglich Mitwirkungsrechte; im Gegensatz zum Mitbestimmungsrecht nach §87 (1)2 BetrVG bei der Festlegung der Arbeitszeiten und somit auch bei der Gestaltung von Schichtsystemen/Arbeitszeitsystem. Daher der Rat: erst den Personalbedarf sorgfältig ermitteln, dann das neue Schichtsystem/Arbeitszeitsystem festlegen! Das kann zur Folge haben, dass neues Personal eingestellt werden muss, damit das neue Schichtsystem/Arbeitszeitsystem nicht schon von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Über die Ergebnisse solcher Personalbedarfsrechnungen lässt sich kaum diskutieren, die eingehenden Daten und Berechnungen sind unstrittig. Hier ein Beispiel einer Personalbedarfsrechnung!

Qualifikationsanalyse
Die Schritte Qualifikation und Schichtplan-/Arbeitszeitgestaltung sind eng miteinander verknüpft. Welche Qualifikationen werden in jeder Schichtgruppe unbedingt benötigt? In Abhängigkeit vom gewählten Schichtsystem ergeben sich unter Umständen unterschiedliche Qualifikationsbedarfe der Beschäftigten. Ein neuer Schichtplan mit vielen Gruppen erfordert in der Regel mehr qualifiziertes Personal, da auf jeder Schicht bestimmte Qualifikationen besetzt werden müssen.

Gestaltung Rahmenschichtplan
Auf der Grundlage der vorhandenen Daten und Zielsetzungen aller betrieblichen Parteien werden nun Schichtpläne/Arbeitszeitsystem entwickelt. Idealerweise sollten mehrere alternative Modelle erarbeitet werden, z.B. mit 4, 5 oder 6 Gruppen und jeweils verschiedenen Schichtrhythmen. Die  Datenbank Standardschichtpläne liefert Ideen und Lösungsansätze. Wichtige Fragen sind:

  • Wer wählt den neuen Schichtplan/das neue Arbeitszeitsystem aus?
  • Sollten die Beschäftigten schon gleich am Anfang darüber mitbestimmen?

Zu empfehlen ist, dass die Projektgruppe den Plan auswählt. Die Mitglieder der Projektgruppe verfügen  über die Sachkenntnisse und haben ja schließlich die Wünsche der betroffenen Beschäftigten in die Gestaltung des Schichtplans / Arbeitszeitsystems einfließen lassen. Schnell wird ein ansonsten optimaler Plan abgelehnt und bekommt erst gar keine Chance, weil ein winziges Detail auf Ablehnung stößt. In diesem Zusammenhang sind auch die gesundheitlichen Aspekte guter Schichtplanung/Arbeitszeitsystem gemeint, über die man eigentlich nicht abstimmen lassen sollte. Es gilt, mögliche gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen durch ein Arbeitszeitsystem grundsätzlich zu vermeiden! Die  Checkliste Schichtplan zeigt, wie es geht! Denkbar ist auch, dass die Mitglieder der Projektgruppe 2 bis 3 Schichtpläne/Arbeitszeitsysteme auswählen, die dann den betroffenen Beschäftigten präsentiert sowie erläutert (!) werden und schließlich zur Abstimmung gestellt werden.

Zeitkontenregelung
Wenn Beschäftigte nicht jede Woche die gleiche Stundenanzahl arbeiten und / oder die geplante Arbeitszeit von der tariflichen Arbeitszeit abweicht, müssen Zeitkonten geführt werden. Dabei gibt es einiges zu regeln:

  • Welche Ausgleichs- bzw. Abrechnungszeiträume zur Erreichung der tariflichen Arbeitszeit sollen gelten?
  • Wann besteht zuschlagspflichtige Mehrarbeit?
  • Was passiert mit Zeitschulden?
  • Welche Grenzen nach oben und unten sollen gesetzt werden?

Wichtig auch hier: laufen die Zeitkonten bei vielen Beschäftigten ständig über, ist dies ein Zeichen für eine Personalunterdeckung. Ständig lange Arbeitszeiten und Mehrarbeit führt schnell zur Überforderung und gesundheitlichen bzw. psychosozialen Beeinträchtigungen.

Flexibilitätsregelungen
Mittlerweile gibt es ein kaum noch Arbeitszeitsysteme, die keine Flexibilitätsregelungen beinhalten. Freischichten, Bringeschichten, Zusatzschichten bzw. flexibel absagbare Schichten bei Produktionsschwankungen sind nur einige Flexibilitätsinstrumente von vielen. Bei der Ausgestaltung von Flexibilitätsregelungen sollten die Verantwortlichen immer im Auge behalten, wie viel Flexibilität dem Beschäftigten zugemutet werden kann. Ständige unternehmensbestimmte Flexibilität mit kurzen Ansagefristen ist abzulehnen, wie es auch Untersuchungen zu gesundheitlichen sowie psychosozialen Beeinträchtigungen flexibler Arbeitszeiten belegen. Auf der anderen Seite kann sich eine begrenzte, gut überlegte Flexibilität für beide Seiten positiv auswirken. In der  Datenbank Standardschichtpläne finden sich einige Beispiele flexibler Schichtplan-/Arbeitszeitgestaltung.

Urlaubsregelung
Ein neues Schicht-/Arbeitszeitsystem hat häufig auch Auswirkungen auf die Urlaubsplanung. Freie Urlaubsplanung, Betriebsurlaub und Urlaubsaushilfen sind gängige Systeme. Wird die Urlaubsplanung und Vertretung in jeder Schichtgruppe selbst durchgeführt, bedingt das eine ausreichende Personalreserve und Regelungen, die festlegen, nach welchen Kriterien Urlaubswünsche gewährt werden. Schichtpläne mit flexibler Schichtwoche lassen auch eine schichtübergreifende Urlaubsvertretung zu. In der  Datenbank Standardschichtpläne finden sich einige Beispiele flexibler Schichtplangestaltung.

Probezeit
Soll ein Arbeitszeitsystem erfolgreich verändert werden, geht dies nur mit den Beschäftigten. Es ist daher zu empfehlen, das neue Arbeitssystem zunächst bis zu einem Jahr zur Probe einzuführen. Die Probezeit sollte jedoch nicht zu kurz gewählt werden, damit die Auswirkungen des neuen Arbeitszeitsystems auch zum Tragen kommen können. 6 bis 9 Monate sollten es schon mindestens sein. Während der Probezeit können Schwachstellen identifiziert und beseitigt werden. Der  Fragebogen zur Bewertung eines neuen Schichtplans hinsichtlich Gesundheit, Familie und Freizeit und das dazu entwickelte Auswertungstool kann zur Dokumentation der Verbesserungen nützlich sein, um z.B. auch Beschäftigten anderer Abteilungen zur Einführung eines gesunden Schichtplans/Arbeitszeitsystems zu motivieren. Am Ende der Pilotphase sollte eine Abstimmung unter den Beschäftigten durchgeführt werden. Die Abstimmung ist wichtig, um die Akzeptanz der Beschäftigten zu erreichen und zu dokumentieren. Ablehnung und Zustimmung zum neuen Schicht-/Arbeitszeitsystem werden durch Zahlen belegt, alle Projektmitglieder/-parteien müssen sich an diesem zählbaren Ergebnis messen lassen!

Betriebsvereinbarung
Grundsätze, Schicht-/Arbeitszeitsystem und alle weiteren Regelungen werden letztendlich in einer Betriebsvereinbarung fixiert. Musterbetriebsvereinbarungen finden sich im Internet.